Wir hassen es, wir lieben es

Gepostet von meta-physik am Dienstag 13 Mai 2008

Science Fiction. Mein Freund weigert sich für gewöhnlich, zusammen mit mir SF-Filme anzugucken, weil ich immer „zwar inhaltlich richtige, aber trotzdem störende Bemerkungen mache“. Wie zum Beispiel: „Warum fliegt das Raumschiff eine Kurve? Ist hier etwa Luft vorhanden?“ Solche Kleinigkeiten nerven mich einfach. In manch einem Film ist eine derartige Ansammlung von „Kleinigkeiten“ zu finden, dass sie in meinen Augen zur Parodie verkommen – Beispiel: „Red Planet„. Der ist ungefähr so lustig wie „Spaceballs„, nur dass das sicher nicht die Absicht der Produzenten war.

Trotzdem: Wissenschaftliche Korrektheit ist nur die halbe Miete. Und der Spannung und Unterhaltung ist diese oft abträglich. Wir sind hier also in einem Dilemma. Wegen fehlender Wissenschaftlichkeit wollen wir uns also nicht Science Fiction beschäftigen, zumindest nicht offiziell; so manche astronomische Zeitschrift wurde eingestellt wegen einem zu hohen Anteil an SF-Berichterstattung. Trotzdem kenne ich kaum einen Sternfreund, der nicht mit Leidenschaft entweder Stanislaw Lem liest (Literatur) oder Trekkie ist (Schund). Oder irgendwas dazwischen.

Zahlreiche Technologie-Entwicklungen wurden von SF beeinflusst. Dieses Thema war der europäischen Raumfahrtagentur ESA sogar eine ganze Studie wert.

Viele Romane gehen von Voraussetzungen aus, die inzwischen überholt sind. Isaac Asimov beispielsweise beschrieb in „Lucky Starr“ die Venus als Dschungelplaneten. Aber diesem Star am SF-Himmel, der hell neben Lem, Bradbury und Clarke strahlt, sieht man das nach (er wusste es schließlich nicht besser) und liest „Lucky Starr“ trotzdem mit Genuss. Ein Beispiel dafür, dass ein Buch trotz mangelnder wissenschaftliche Korrektheit gut sein kann, wenn die Story stimmt.

Einer meiner Lieblingsfilme ist „Mars Attacks!„. Ein vielleicht etwas exzentrischer Trickfilmspezialist möchte einen SF-Film im Stil der 1950er Jahre drehen. Fast jede noch so kleine und unwürdige Rolle ist mit einem Star besetzt, dessen Film-Schicksal das Drehbuch genauso mitleidlos besiegelt wie alles, was den Amerikanern heilig ist. Das Ergebnis ist ein Meisterwerk (wie auch sonst fast alles von Tim Burton). Wissenschaftliche Korrektheit? Darüber hat niemand sich auch nur ansatzweise den Kopf zerbrochen.

Mein Freund machte kürzlich eine Ausnahme bei der Regel „Schau dir bloß keine SF-Filme mit deiner Freundin an (insbesondere Andromeda, Stargate und Battlestar Galactica)“ und nahm extra für mich einen Film auf (ich habe keinen Fernseher) mit dem Hinweis „Schau dir den an, der wird dir gefallen“. Ein Film im Stil der 1940er Jahre. Noch viel besser. Ich liebe alte Filme.

Etwas daran erinnerte mich teilweise an Star Wars, Episode I-III, nämlich ein Unterschied: in Episode I-III wurden die Pausen zwischen den Kampfszenen mit Handlung gefüllt (viel war da nicht zu füllen). In „Sky Captain and the World of Tomorrow“ – so hieß das Werk – wurden die kurzen Pausen in der Handlung mit Kampfszenen gefüllt. Der Film ist von Anfang bis Ende überzogen, wissenschaftlich völliger Schwachsinn („Wir haben eure Kleider verbrannt. Sie waren mit Uran verseucht.“), aber er ist einfach … „stylish“, würde mein Kind sagen. Der Film wurde komplett in der Bluebox gedreht und die Bilder digital eingefügt. Mit dem Ergebnis, dass der Film aussieht, als wäre er, nun ja, eben in den 1940er Jahren gedreht worden. Die Handlung ist sowohl spannend als auch lustig und vom Aufbau her ebenfalls alten Filmen nachempfunden. Einfach schön. Und dann kleine Inkongruenzen wie modernste Laserwaffen in einer Welt, die technologisch am Anfang des letzten Jahrhunderts steht… ohne Kommentar oder Erklärung, das ist einfach so. Außerdem gibt es einen unglaublich starken Auftritt von Angelina Jolie.

Ich weiß schon, mit meinem Filmgeschmack ist grundsätzlich etwas nicht in Ordnung. Als ich „Die zwei Leben der Veronika“ ansah, wusste ich, dass ich vielleicht den wunderbarsten Film meines ganzen Lebens gesehen hatte. Mit ungläubigem Staunen sah ich anschließend rund um mich Leute kopfschüttelnd sagen „Was war DAS für ein Blödsinn!“

Amadeus“ oder wie der heißt (der mit Bruce Willis, Sie wissen schon…) hab ich ausgelassen, „Independence Day“ konnte ich nur in einer Runde grölender Science-Fiction-Hasser ertragen, die ähnliche „Bemerkungen“ machen wie ich, aber „Sky Captain“ würde ich mir sofort auch noch ein zweites Mal ansehen.

Ein Kommentar zu “Wir hassen es, wir lieben es”

  1. meta-physik » Blog Archiv » G zu Fuß, Tag 16 – zu Fuß in die Umlaufbahn

    […] Um zum Mond zu gelangen, müsste man fast 10-mal um die Erde herumfahren (aber selbst das schaffen manche Leute, mein Fahrlehrer erzählte mir damals, als ich den Führerschein machte, er hätte diese Strecke schon mindestens einmal im Fahrschulauto zurückgelegt.) Nur, auch das ist erst ein Katzensprung. Um zur Sonne zu gelangen (OK, wer will schon dahin …) müsste man 3750-mal rund um die Erde kurven (ich hoffe ich hab mich nicht verrechnet!), und auch das ist kosmisch gesehen erst ein Katzensprung. Das ist wohl der Grund, weshalb Menschen interstellare Raumfahrt bislang nur in Science-Fiction-Filmen betrieben haben. […]

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